Die Leiden des Volkes Gottes sind für uns Menschen kaum erfassbar und übersteigen unsere Vorstellungskraft bei Weitem.
In Jesaja 40 werden Menschen von Gott aufgefordert, das Volk Gottes zu trösten. In den Versen 1–11 heißt es dann:
1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. 2 Redet zum Herzen Jerusalems, und ruft ihm zu, dass sein Frondienst vollendet, dass seine Schuld abgetragen ist! Denn es hat von der Hand des HERRN das Doppelte empfangen für all seine Sünden. 3 Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN! Ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! 4 Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden! Und das Unebene soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene! 5 Und die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird es sehen. Denn der Mund des HERRN hat geredet. 6 Eine Stimme spricht: Rufe! Und ich sage: Was soll ich rufen? – Alles Fleisch ist Gras, und all seine Anmut wie die Blume des Feldes. 7 Das Gras ist verdorrt, die Blume ist verwelkt, denn der Hauch des HERRN hat sie angeweht. Fürwahr, das Volk ist Gras. 8 Das Gras ist verdorrt, die Blume ist verwelkt. Aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit. 9 Auf einen hohen Berg steig hinauf, du Freudenbotin Zion! Erhebe mit Macht deine Stimme, du Freudenbotin Jerusalem! Erhebe sie, fürchte dich nicht! Sprich zu den Städten Judas: Siehe da, euer Gott! 10 Siehe, der Herr, HERR, kommt als Starker, und sein Arm übt die Herrschaft für ihn aus. Siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Belohnung ⟨geht⟩ vor ihm her. 11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden ⟨Muttertiere⟩ wird er ⟨fürsorglich⟩ leiten.
"Tröstet, tröstet mein Volk!" (Jes 40:1) Wie schön klingen diese Worte, wenn sie aus dem Munde Gottes stammen! Wenn der allmächtige Gott zum Trösten auffordert (2Kor 1:3-4), dann will er, dass sein Volk getröstet wird, und zwar mit einem Trost, der die seelischen Wunden heilt (Ps 147:3).
Hier stellt sich natürlich die Frage: „Wer wird hier aufgefordert, das Volk Gottes zu trösten?" Diese doppelte Aufforderung zum Trösten richtet sich an die Propheten und geistlichen Führer des Volkes (Jes 61:1-3). Als Gottes Sprachrohr sollen sie seinem Volk Trost und Hoffnung zusprechen (2Kor 1:3-4). Wer die Aufgabe hat, Gottes Wort weiterzugeben, hat auch den Auftrag zu trösten (1Thes 4:18).
Dieser Trost basiert auf Gottes unveränderlicher Treue zu seinen Bundesverheißungen (2Kor 1:3-4 / Hebr 6:17-18) und ist alles andere als ein "billiger Trost". Ein wahrhaft göttlicher Trost offenbart eine wunderbare Liebe (Jer 31:3) und berührt die Herzen zutiefst (Jes 40:2).
Am 24. Dezember 2024 wandte sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit einer Weihnachtsbotschaft an die Christen weltweit. Er sagte dabei:
"Zu einer Zeit, in der Israel an sieben Fronten kämpft, wertschätzen wir zutiefst die standhafte Unterstützung unserer christlichen Freunde.” (Merkur.de)
Dieses mitfühlende und unterstützende Verhalten der Christen war für die Israelis ein Trost, und es zeigte ihnen: "Wir sind nicht allein - wir haben auch Freunde in dieser Welt!" (Röm 15:4 / 2Kor 1:3-4)
In 1Thes 4:18 schreibt Paulus: "So tröstet nun einander mit diesen Worten!" Durch die verheißene Wiederkunft des HERRN besteht eine große und untrügliche Hoffnung (Tit 2:13)! Eine von Gott geschenkte Erwartung bewirkt bei den Glaubenden immer einen wunderbaren Trost (2Thes 2:16-17)! Darum schreibt Paulus auch:
"Wenn jemand hingegen eine prophetische Botschaft verkündet, richten sich seine Worte an die Menschen; was er sagt, bringt ihnen Hilfe, Ermutigung und Trost." (NGÜ - 1Kor 14:3)
Vers 2 zeigt uns die Art und Weise des Tröstens (Jes 40:2 / 2Kor 1:3-4):
"Redet zum Herzen Jerusalems, und ruft ihm zu, dass sein Frondienst vollendet, dass seine Schuld abgetragen ist! Denn es hat von der Hand des HERRN das Doppelte empfangen für all seine Sünden."
Diese Aussage des Propheten Jesaja galt vermutlich zunächst dem Ende des babylonischen Exils (Jer 29:10). Die Juden mussten 70 Jahre Frondienst leisten, weil sie die mahnenden Worte der Propheten missachtet und sich vielfach versündigt hatten. Sie übertraten die grundlegenden Gebote Gottes durch Götzendienst und Rücksichtslosigkeit und luden dadurch große Schuld auf sich (Jer 2:13).
Gott hätte ihnen diese Schuld vergeben, wenn sie umgekehrt wären und Buße getan hätten (Jes 1:18). Doch die Bewohner Jerusalems blieben uneinsichtig, was zu mehreren Deportationen nach Babylon und damit auch zu einem Frondienst führte (2Chr 36:15-16).
Das "Doppelte" (כִּפְלַיִם, kiflayim) kann auf zweierlei Weise verstanden werden:
Die Bücher Esra und Nehemia beschreiben diese Wiedergutmachung und den neu erhaltenen Segen ausführlich (Esra 1:1-4 / Neh 2:1-8).
Doch die vollständige Abtragung der Schuld Israels geschah letztlich nur durch das eine Lamm Gottes (Jes 53:4-6), auf das Johannes der Täufer hinwies, als er rief:
"Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!" (Joh 1:29)
Nach Vers 2 folgt eine bemerkenswerte Prophezeiung über Johannes den Täufer (Mt 3:1-3 / Joh 1:23):
"Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN! Ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott!" (ELB - Jes 40:3)
Diese Stelle wird in Matthäus 3 zitiert, wo Johannes zur Buße aufruft. Er hatte den göttlichen Auftrag, dem HERRN einen Weg zu bereiten und die Menschen aufzufordern, in der Steppe eine Straße zu ebnen (Lk 1:76-77).
Die Wüste ist in der biblischen Geschichte häufig ein Ort der Gottesbegegnung und geistlichen Vorbereitung (2Mo 3:1-2 / 1Kön 19:4-8). In der Einöde und Einsamkeit konnte sich Johannes der Täufer vollständig auf Gott ausrichten und seine Weisung empfangen.
Wie konnten die Menschen damals dem HERRN einen Weg bahnen? War damit der triumphale Einzug in Jerusalem gemeint?
Da es im Aufruf des Johannes um Buße bzw. um ein Umdenken (griech. mätanoia) ging, hatte dies eine tiefere Bedeutung (Mt 3:8). Die Menschen sollten in ihren Herzen dem HERRN einen Weg bereiten. Durch aufrichtige Umkehr sollten sie ihre Herzen so vorbereiten, dass der Messias als König einziehen und auf dem „Thron des Herzens" seinen Platz einnehmen konnte (Offb 3:20).
Jesus Christus kam nicht, um irdische Macht zu ergreifen oder Länder zu erobern, sondern um die Herzen der Menschen mit seiner unendlichen Liebe zu gewinnen (Joh 18:36 / Lk 17:20-21). Denn das Reich Gottes kann nur auf dem Fundament der Liebe und des Vertrauens erbaut werden (1Joh 4:16).
Im nächsten Vers wird das symbolische Bild des Ebenmachens weiter ausgeführt. Da heißt es:
"Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden! Und das Unebene soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene!" (Jes 40:4)
Eine gut ausgebaute Straße ermöglicht es einem König, unkompliziert mit seinem ganzen Tross in eine Stadt einzuziehen, um so möglichst schnell seine Herrschaft antreten zu können (Sach 9:9 / Mt 21:5).
Wenn man in einer hügeligen Landschaft eine Autobahn bauen will, dann muss man die Hügel abtragen und die Gräben bzw. Täler aufschütten, um eine Schnellstraße bauen zu können, die diesen Namen auch verdient.
Das Bild der Einebnung kann auch als Symbol für Gottes ausgleichende Gerechtigkeit verstanden werden, ähnlich wie in Lk 14:11: "Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden."
In der Königsherrschaft Gottes haben hochmütige, selbstgefällige und stolze Menschen keinen Platz (Jak 4:6 / 1Petr 5:5). Deshalb müssen sie erniedrigt werden, und deshalb hat der HERR auch uns schon erniedrigen müssen, damit wir demütig werden und auch lernen, uns - wie Christus - selbst zu erniedrigen (Phil 2:8), damit wir von Gott Gnade erhalten, um in der künftigen Welt einmal von Gott erhöht zu werden (Mt 23:12).
Welch hoffnungsvolle Perspektive für alle Niedrigen und Gedemütigten!
In Vers 5 wird gesagt, dass sich die Herrlichkeit des HERRN offenbaren wird. Als Jesus Christus als Mensch auf diese Erde kam, offenbarte er vor allem seine "innere Herrlichkeit". Nur in ganz vereinzelten Situationen zeigte er ansatzweise auch seine äußere Herrlichkeit. Ein Beispiel dafür ist das Ereignis auf dem Berg der Verklärung (Mt 17:1-2 / Mk 9:2-3). Vermutlich dachte Johannes an dieses Geschehen, als er schrieb:
Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Einzigen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Joh 1:14)
Wenn wir aber an das hohepriesterliche Gebet Jesu denken (Joh 17), dann liegt der Schluss sehr nahe, dass der HERR - im Leben und Sterben Jesu - auch seine innere Herrlichkeit offenbarte! Da lesen wir:
Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. (Joh 17:1)
Diese Bitte äußert Jesus kurz vor seinem schmählichen Sterben am Kreuz (Joh 19:17-18). Natürlich könnte man hier sagen, dass sein Sohn durch die Auferweckung aus den Toten verherrlicht wurde (Röm 6:4). Aber am Kreuz wurde auch die innere Herrlichkeit Gottes offenbar - nämlich seine Liebe, Gnade und Barmherzigkeit (Joh 3:16 / Röm 5:8)!
Für eine demütige Haltung - die eine absolute Voraussetzung für eine geistliche Gesinnung ist (1Petr 5:5 / Jak 4:6) - ist es hilfreich, wenn wir uns immer wieder an die Vergänglichkeit unseres Fleisches erinnern. Mose sagte das in Ps 90:12:
So lehre ⟨uns⟩ denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!
Gerade Menschen, die auf ihre Schönheit, ihre Kraft und Begabung stolz sind, sollten sich daran erinnern, wie vergänglich unser irdisches Leben ist (Ps 103:15-16 / Jes 40:6-8): Wir verwelken und verdorren wie die schönen Blumen, und dieses Wissen macht uns demütig!
Nach der Betrachtung über die Vergänglichkeit des Fleisches schließt Vers 8 mit folgendem Hinweis:
Aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit.
Dies erinnert uns an die Aussage Jesu (Mt 24:35):
Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.
Die leidgeprüfte Stadt Jerusalem wird aufgefordert, einen Berg zu besteigen und als Freudenbotin tätig zu werden (Jes 40:9 / Jes 52:7). Sie soll in den Städten Judas die frohe Botschaft Gottes verkündigen. Nur wer selbst Leid erfahren und Gottes Trost empfangen hat, kann andere wahrhaftig trösten und ihnen Hoffnung schenken (2Kor 1:3-4).
Was ist diese Botschaft?
"Siehe da, euer Gott! Siehe, der Herr, HERR, kommt als Starker, und sein Arm übt die Herrschaft für ihn aus. Siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Belohnung ⟨geht⟩ vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden ⟨Muttertiere⟩ wird er ⟨fürsorglich⟩ leiten." (Jes 40:10-11)
Bei seinem ersten Kommen hat "Adonai Jahweh" durch seine scheinbare Schwachheit die mächtigste Kraft des Universums – den Tod – besiegt (1Kor 15:54-55). Bei seiner Wiederkehr in Macht und Herrlichkeit wird er das Reich Gottes sichtbar auf Erden errichten und all jene belohnen, die ihr Vertrauen auf ihn gesetzt haben (Offb 22:12).
Der Lohn umfasst alles, was er für Jerusalem und für uns am Kreuz erworben hat: Vergebung, Rechtfertigung, Gerechtigkeit und Vollkommenheit (Eph 1:7 / Röm 3:24). Diese Geschenke dürfen wir empfangen, und aus ihnen erwächst uns ein unvergängliches Leben und die Teilhabe an Christi Herrschaft (2Tim 2:12).
Der HERR wird sein Volk wie ein vollkommener Hirte weiden und die Lämmer in seinen Arm nehmen (Joh 10:11 / Ps 23:1)! Welch schönes, hoffnungsvolles und trostreiches Bild einer herrlichen Zukunft. Er wird seine Gemeinde, Jerusalem und ganz Israel fürsorglich und voller Liebe leiten!